Teamwork Hundetraining
Hundetraining Norderstedt

Eine ernüchternde Begegnung

Vor einigen Monaten war ich am Hamburger Busbahnhof, ZOB genannt, und wartete auf meinen Sohn der von einer Reise zurück kam. Während ich wartete und mir die vorbeieilenden Menschen ansah, fiel mir eine Gruppe von Menschen besonders ins Auge:

Drogensüchtige. Sogenannte Junkies.

Diese Menschen irrten desorientiert, scheinbar nicht am Leben beteiligt über den ZOB. Sie schienen keine Außenreize wahrzunehmen und auch sonst wirkte ihr Verhalten vollkommen anormal, es stimmte in keiner Weise mit dem der anderen anwesenden Menschen überein. Sie schienen nur auf ein Ziel fixiert zu sein, für nichts Anderes schien Platz, in ihrem Leben und in ihren Köpfen. Zudem waren diese suchtkranken Menschen isoliert von dem Rest ihrer Spezies. Nicht das sie Interesse an einer Kontaktaufnahme gehabt hätten... nein, sie bettelten die Leute am ZOB um Geld an. Geld für den so dringend benötigtem ''Stoff''. Dem ersehnten Ziel. Jeder Leser kann sich nun vorstellen, wie auf das Erbetteln von Geld reagiert wurde. Die Menschen wandten sich angewidert ab und ließen den Bettler unkommentiert ins Leere laufen. Ich konnte nicht wegschauen. Es war ein Bild des absoluten Elends, des Jammers, mit kaum einer realistischen Chance je wieder aus dieser zugeschnappten Falle entkommen zu können.

Doch es schob sich noch ein weiteres Bild vor mein inneres Auge. Der Border Collie ''Barney'' den ich auf meinem morgentlichen Spaziergang durch den Park mit Summer und Nutz begegnet bin. Barney ist ein zwei Jahre alter, kastrierter Rüde, der jeden Morgen das gleiche Verhalten zeigt. Er läuft neben seinem Frauchen her, den Blick und den Kopf immer in ihre Richtung gewandt. Aber nicht der ruhige, abfragende Blick, was wohl mit Außenreizen zu tun, welche Richtung an einer Weggabelung zu nehmen sei oder ob man die entgegenkommenden Hunde, in diesem Falle meine zwei Klopskallis, begrüssen oder ignorieren sollte. Nein, es ist immer der rastlose, suchende, bettelnde Blick. Der Blick der nur auf ein Ziel fokussiert zu sein scheint : den Ball. Begleitet wird dieser Blick von einem nicht enden wollenden Fiepen seitens Barney.

Gesteigert wird dieses Fiepen nur, wenn der ersehnte Ball endlich aus der Jackentasche gezaubert wird und im hohen Bogen über die Wiese fliegt. Barney läuft, rennt, hetzt wie von Sinnen dem fliegenden ''Ungetüm'', der Beute hinterher, bringt ihn seinem Frauchen zurück, wartet, fiept nun immer schriller, dreht sich um die eigene Achse, lauert, bietet Alles an was er je gelernt hat, nur für diesen einen Moment. Der Moment in dem Frauchen den Arm hebt und der Ball ein weiteres Mal fliegt. Immer und immer wieder. Manchmal kommen Spaziergänger dazu, lachen, freuen sich über den gehorsamen, leistungsbereiten Hund, der sich so lustig dreht, so konzentriert mit seinem ''Hobby'' beschäftigt ist. Oft werfen auch diese Menschen mal den Ball für Barney und wundern sich, wie schnell dieser Hund bereit ist, auch mit ihnen, als vollkommen fremde Menschen, zusammen zu arbeiten. Vielleicht ist der ein oder andere Ballwerfer mal verwundert, wie schnell er für Barney zu Asche zerfällt, wenn der Ball den Besitzer wieder wechselt. Ich weiß es nicht.

Warum musste ich nun am ZOB an Barney denken? Was hat er mit den Drogenabhängigen, den sogenannten Junkies, gemeinsam? Das ist relativ schnell und unkompliziert erläutert. Ich nehme die bekannte Droge Heroin als Beispiel. Diese Substanz führt relativ schnell und nachhaltig zu einer körperlichen und psychischen Abhängigkeit. Das geschieht, weil die Droge im Belohnungssystem, dem mesolomischem System, des Gehirns ansetzt und hier für eine enorme Erhöhung der Dopaminausschüttung sorgt. Dopamin ist ein Neurotransmittter, der im Gehirn der Kommunikation der Nervenzellen untereinander dient. Dopamin wird z.B. dann ausgeschüttet, wenn wir eine Belohnung in Aussicht gestellt bekommen, ein lang ersehntes Ziel erreichen oder eine gute Note in der Schule bekommen. Dazu gesellt sich gern das Hormon Endorphine, als Glückshormon bekannt, und schon ist der Rausch perfekt!

Dopamin ist also durchaus sinnvoll und für unsere Motivation im täglichen Leben unerlässlich. Nur was geschieht, wenn die Dosis zu hoch ist, wenn die Dosis zum Gift wird?
Ein Teufelskreis... entkommen eine Lebensaufgabe.

Ich musste an Barney denken, weil auch er dem Rausch der Droge verfallen war. Seine Droge war das Dopamin, die Endorphine, gepaart mit Adrenalin & Noradrenalin, welche bei diesem ''Ball-Jagdspiel'' zusätzlich freigesetzt werden. Barney, der als Border Collie die nötige Erregbarkeit mit sich bringt, ist schlicht und ergreifend vom Menschen in diese Sucht getrieben worden. Ganz sicher nicht mit Absicht, ich glaube die Halterin ist überzeugt davon, dass Barney unfassbaren Spass am Ballspielen hat. Aber der Spaß ist für Barney schon lange vorbei!

Die sich andauernd wiederholende, selbstbelohnende Tätigkeit des Ballspielens führt nicht nur dazu, dass Barney seine Außenwelt nicht mehr wahrnimmt, keinen Kontakt zu anderen Hunden aufnimmt und in seinem Kopf für nichts Anderes Platz zu sein scheint, als endlich zu seinem heiß begehrten Ziel zu gelangen, den Ball. Nein, er hat die ganze Zeit, die er draußen spazieren geht Stress. Gut erkennbar vor allem durch das ständige Fiepen, die aufgedrehte Erregung, das ständige fixieren der Tasche, in welcher der Ball verstaut wurde, die dabei weit aufgerissenen Augen uvm.

Barneys Verhalten und das des Drogenjunkies am Hamburg ZOB, zeigten mir viele Parallelen auf und darum musste ich an den, in meinen Augen, so bedauernswerten Hund denken. Denn nichts anderes ist dieser Hund, ein Junkie, süchtig nach dem Ball, gefangen in einem Teufelskreis, ohne Chance aus eigener Kraft zu entkommen.

Der große Unterschied liegt nur darin, dass wir den einen Süchtigen ignorieren, uns angewidert wegdrehen und ihm seine Abhängigkeit oft als Charakterschwäche auslegen.

Der andere Junkie wird beklatscht und als wahnsinnig süß und gehorsam empfunden. Man reicht ihm begeistert seinen '' Stoff '' und treibt ihn, sicher oft aus Unwissenheit, immer tiefer in den Abgrund.

Das Wunder der Wahrnehmung. Der Moment am ZOB in Hamburg hat mir dieses Phänomen so anschaulich vor Augen geführt, dass ich nicht anders konnte, als das Frauchen von Barney anzusprechen und ihr von meinem Erlebnis zu erzählen. Sie brauchte ein paar Tage, um meine Worte sacken zu lassen und sich selbst zu belesen. Dann fragte sie mich nach einem Ausweg aus der selbst erschaffenen Misere. Ich gab ihr ein paar Tipps und seither wird kein Ball mehr geschmissen.

Ich freue mich sehr für Barney, dessen Namen ich geändert habe, und hoffe, er erlebt noch viele entspannte Jahre.

Autor: Tanja Werk / Team-Work-Tanja-Werk.de
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